Die PIETA in der St. Nikolaus Pfarrkirche Freienohl

(lat. pietas, 'Frömmigkeit'; Pietà, Vesperbild); plasterische und malerische Darstellung der trauernden Maria mit dem Leichnam Jesu auf den Knien (MARIENKLAGE)

Die Pieta unserer St. Nikolaus Pfarrkirche zählt heute mit zu den wertvollsten Andachtsbildern, die das Sauerland aufzuweisen hat. Im amtl. Denkmalpflegebericht gibt man folgende "Beschreibung: „... Die Madonna sitzt ruhig in frontaler Haltung. Sie hält den starren Körper Christi mit einem gerade ausgestreckten Arm vor sich auf dem Schoß. Die parallelen senkrechten und waagerechten Linien der Gliedmaßen Christi, des Arms der Gottesmutter und der Falten zwischen ihren Knien bestimmen den Aufbau der Gruppe. Der mit einer plastischen  Borte verzierte Mantel umfängt die Figur wie eine  Hülle. Als Vorbild mag ein mittelalterliches Vesperbild gedient haben, das in späterer Zeit mit einem Stoffgewand bekleidet wurde.“

Nach Ansicht von Kunstsachverständigen entstand die eichene Plastik (die Krone wurde später hinzugefügt) in den Jahren nach dem 30-jährigen Krieg (1618-1648); sie gehörte also noch zur Ausstattung der ganz alten, später zur Pfarrkirche umgemünzten Klosterkirche (1753), in der die Muttergottes, in besonderer Weise verehrt wurde.

Es standen unserem ehrwürdigen Bildnis jedoch schlimme Zeiten bevor. Ganz gefährlich wurde es, als ab 1886 (Grundsteinlegung 11.04.1886) die Kirche vergrößert wurde, indem sie die Erweiterung durch die beiden Seitenschiffe erfuhr. Pfarrer Falter schaffte nämlich ein völliges neues Inventar an: drei Altäre, zwei Beichtstühle, eine Kommunionbank, Orgel und Kreuzweg. In dem alten nahezu gesamten Kircheninventar sah man offensichtlich nunmehr alten lästigen Plunder an.

In heute einfach unverständlicher, sicherlich auch überheblicher Denkweise erachtete man das damalige Kirchengut als rückständig, überholt, einfach „altfränkisch“, d.h. unmodern an. Das volle Ausmaß des für immer Zerstörten und Verlorengegangenen lässt sich nur erahnen. Und alles schien nicht einmal wert, in schriftlicher oder auch nur mündlicher Überlieferung für die Nachwelt festgehalten zu werden. So existiert heute z.B. nicht die geringste Kenntnis mehr über das Aussehen des ehemaligen Hochaltars. Was das Protokollbuch vom 20. April 1887 lediglich vermeldet, ist der Beschluss: „Der alte Hochaltar soll als Brennholz, in der Kirche... Verwendung finden..."

Ein Glück nur, dass sich ein paar Mutige fanden, die dem gängigen Zeitgeist eigenes Denken and Fühlen entgegenzusetzen wagten.

Wie viel  Gespött mag sich Herr Heinrich Peetz mit eingehandelt haben, als er damals für 50 Pfg die Pieta - sie lag wohl zuhauf mit den anderen Heiligen­figuren vor der Kirche - in sein dem Kirchenportal gegenüberliegendes Haus an der Krummestraße herüberrettete.

Beim großen Brand, der am 28. März 1893 in Freienohl etwa 15 Hauser einäscherte, blieb vom Hause Peetz gerade das Zimmer verschont, in welchem das geweihte Bildnis Aufstellung gefunden hatte. Manch einen, der eben noch allzu forsch gelästert hatte, durfte das nachdenklich gestimmt haben — doch 5 Jahre später bewilligte man 328 Goldmark für den Neuerwerb einer Pieta aus Terrakotta im damals in Mode gekommenen neugotischen Stil.

Nach der Renovierung der Kirche im  Jahre 1959 wurde die inzwischen als wertvolles Kunstobjekt ausgewiesene alte Pieta von den Erben der  Familie Peetz dem damaligen Herrn Pfarrer Dolle durch großzügiges Entgegenkommen unentgeltlich wieder zur Verfügung gestellt.

In einer Paderborner Kunstwerkstätte wurde die Statue restauriert. Dort legte man auch ihre ursprüngliche Farbe wieder frei. Am Sonntag zum Tag Maria Empfängnis (13.12.1959) segnete Pfarrer Dolle sie im Pfarrhaus ein. In feierlicher Prozession trugen Mitglieder der Kolpingfamilie, unter denen sich auch ein Urenkel des eben erwähnten Heinrich Peetz befand, die Pieta auf ihren Schultern unter feierlichem Geläut der Glocken zur Kirche.  Unsere St. Nikolaus Pfarrkirche besitzt seitdem wieder ein sakrales Kunstwerk von hohem historischem Wert.

Literaturnachweis:
Kirchen, Kapellen, christliche Zeichen in der St. Nikolaus Gemeinde Freienohl, 1978
Freiheit Freienohl 1272 - 1975, Dr. Manfred Wolf, 1985
Zeitungsausschnitte aus dem Jahr 1959

Bildnachweis: © Karl-Heinz Kordel, Freienohl, 2004