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Johannes Schwefer - das Urgestein aus Freienohl
Wer kennt und liebt ihn nicht - Johannes Schwefer das Urgestein aus Freienohl. Johannes Schwefer, den die Freienohler alle liebevoll "Salkes Hennes" nennen, ist am 2. Mai 1923 geboren. 1952 übernahm er als gelernter Sattler- und Polsterermeister den Betrieb seines Vaters August.
Als es in der damaligen Werkstatt in der Bergstraße immer enger wurde und auch Sohn Dieter dann seine Ausbildung zum Raumausstatter begann, die er 1976 mit der Meisterprüfung abschloss, entschlossen sich Johannes und Ehefrau Maria Schwefer, ein Ladengeschäft im Ortskern von Freienohl zu erwerben. Und nach einigem Suchen wurden sie auch fündig: Das alte Haus von Fritz Gördes in der damaligen Mittelstraße - heute St.-Nikolaus-Straße - wurde gekauft und vollständig zu einem Ladenlokal mit Werkstatt umgebaut. 1977 wurde das Geschäft nochmals großzügig erweitert und weitere zweckmäßige Umbauten durchgeführt. Das wurde möglich durch den Ankauf des angrenzenden alten Küsterhäuschens.
Heute wird der Familienbetrieb Schwefer von Inhaber Dieter Schwefer und seiner Frau Vera geführt.
Johannes Schwefer ist vielen Freienohler bekannt als aktiver Musiker im Musikverein Freienohl. Dort schlägt er seit vielen Jahren die große Trommel und ist auf Grund seines Einsatzes ein großes Vorbild für die Jugend.
Vielen jedoch nicht bekannt, sind seine dramatischen Erlebnisse als Marinesoldat bei dem Untergang des Passagierschiffes "Wilhelm Gutsloff" am 30. Januar 1945. Johannes Schwefer ist heute einer der wenigen Überlebenden der wohl größten Katastrophen der Seefahrtsgeschichte mit ca. 9.000 Toten.
Bis zum Kriegsausbruch am 1. September 1939 wurde die "Wilhelm Gustloff" als Kreuzfahrtschiff der DAF-Unterorganisation "Kraft durch Freude" (KdF) genutzt. Sie konnte 1.465 Passagiere und 426 Besatzungsmitglieder befördern. Am 22. September 1939 wurde die "Gustloff" als Lazarettschiff der Kriegsmarine übergeben. Während der Besetzung Norwegens im Frühjahr 1940 diente sie als Verwundetentransporter. Seit dem 20. November 1940 wurde die "Gustloff" als Wohnschiff für die 2. U-Boot-Lehrdivision in Gdingen (damals Gotenhafen) genutzt.
Nach dem Durchbruch der Roten Armee an der Ostfront sollte die "Wilhelm Gustloff" Soldaten und Flüchtlinge aus dem abgeschnittenen Ostpreußen ins westliche Deutschland evakuieren.
Am 30. Januar 1945 legte sie mit schätzungsweise über 10.000 Menschen an Bord in Gdingen ab, darunter Soldaten der 2. Marinedivision, viele verwundete Wehrmachtsangehörige, vor allem aber Tausende von Zivilisten. Da die Flucht überhastet erfolgte, wurden nicht alle Passagiere registriert, so dass ihre exakte Zahl nicht feststeht.
Noch am Abend desselben Tages, um 21:08 Uhr, wurde das Schiff auf der Höhe von Stolpmünde von drei Torpedos des sowjetischen U-Boots S 13 getroffen und sank in weniger als 50 Minuten. Aufgrund der Überfüllung gab es viel zu wenige Rettungsboote. Da von herbeieilenden Frachtern und Minensuchbooten nur 1.239 Menschen gerettet werden konnten, müssen rund 9.000 ums Leben gekommen sein.
Johannes Schwefer erlebte diese größte Schiffskatastrophe wie folgt:
„Ich hatte Freiwache und lag angezogen in meiner Koje, die sich im Heck des Schiffes befand. Wir hatten um 13.30 Uhr von Gotenhafen (Gdingen) abgelegt - ohne Geleitschutz. Beim Auslaufen übermittelte uns die „Lützow" durch Flaggensignal: „Gute Überfahrt und alles Gute in der neuen Heimat". Wir hatten noch geschimpft, dass man uns ohne Geleitschutz abdampfen ließ.
Es war ein sehr kalter Tag, die Ostsee führte Treibeis. Gegen 21.10 Uhr hörte ich drei Detonationen. Torpedotreffer! zuckte es mir sofort durch den Kopf. Später erfuhr ich, dass ein russisches Untersee-Boot einen Vierer-Fächer geschossen hatte. Der vierte Torpedo war unter dem Achterschiff, unter meiner Koje, durchgerauscht, ohne Schaden anzurichten.
Als ich durch den Notausgang das oberste Deck erreicht hatte, neigte sich das Schiff schon 15 bis 20 Grad nach Backbord. Das Chaos war bereits total. Ich sah tot getrampelte Kinder. Alles war ratlos. Das Fieren der Rettungsboote gelang in der Aufregung nicht optimal. Viele Kinder fielen ins Wasser und ertranken. Irgendwo fielen auch Schüsse. Aus dem Lautsprecher erklang es beschwichtigend: „Ruhe bewahren, das Schiff sinkt nicht weiter. Wir liegen auf Grund". Das war selbstverständlich eine bewusste Lüge. Bald darauf aber hieß es: „Rette sich, wer kann!"
Ich sprang von Bord, geriet zwischen ein Rettungsboot und die Bordwand, kam aber frei, da der Sog in der Ostsee nicht so groß ist wie auf dem Atlantik. Ich erwischte eins der schwimmenden Holzteile. In diesem Augenblick sank das Schiff - wie von Geisterhand angezündet, erstrahlte es zum letzten Mal in voller Beleuchtung. Das geschah alles auf der Höhe von Stolpmünde.
Wir trieben etwa 60 Minuten im Wasser, da rauschte ein Geleitzug heran, bestehend aus drei Schiffen, der aber keine Menschen aus den Rettungsbooten oder im Wasser Treibende aufnahm. Das Torpedoboot „Löwe" umkreiste bereits vorher das sinkende Schiff, um russische U-Boote mit Wasserbomben unter Wasser zu halten. Die „TZ 36" war es, welche die Überlebenden einsammelte. Insgesamt überlebten nur über 1.200 Menschen diese Katastrophe. Ich habe trotz allem nicht mit dem Leben abgeschlossen. Ich sagte mir: Du kommst durch. Am nächsten Tage erreichten wir Bad Saßnitz auf Rügen. An meinem Geburtstage, 2. Mai, geriet ich in Bad Kleinen in englische Gefangenschaft und kehrte etwa acht Wochen später nach Freienohl zurück, wo meine Eltern ihren einzigen Sohn mit Freudentränen in den Augen empfingen.
Das Bild vom untergehenden Schiff und von den mit dem Tode ringenden Menschen habe ich in den ganzen Jahren nicht aus meiner Erinnerung verdrängen können und auch nicht die Hilfeschreie der im eiskalten Wasser mit dem Tode ringenden Menschen. Ich möchte so etwas nie wieder erleben!"
Literaturnachweis:
Westfälische Rundschau vom 30.01.1985 (von Karl-Heinz Müller, Freienohl)
Die geschichtlichen Daten basieren auf dem Artikel "Wilhelm Gustloff (Schiff)" aus der freien Enzyklopädie Wikipedia und steht unter der GNU-Lizenz für freie Dokumentation. In der Wikipedia ist eine Liste der Autoren verfügbar.
Bildnachweis:
Bild 1. Karl-Heinz Kordel, Freienohl
Bild 2: Westfälische Rundschau vom 30.01.1985
Bild 3: Wikipedia