Das Neujahrssingen in Freienohl

NeujahrssingenIn den früheren Jahren, man kann sagen bis zu den ersten Nachkriegsjahren des zweiten Weltkrieges, war es nicht üblich, dass der Jahreswechsel in den Familien oder in den Gaststätten gefeiert wurde. Vielleicht war es der eine Grund, dass die finanziellen Mittel
doch überwiegend eng bemessen waren, anderseits war es wahrscheinlich einfach noch
nicht üblich. Doch die jungen Burschen des Dorfes sahen im Jahreswechsel schon einen
Grund zum Feiern.

So zogen sie in der Silvesternacht von Haus zu Haus und wünschten mit Ihrem
Neujahrslied den jeweiligen Hausbesitzern ein gutes Neues Jahr. An die Haustüren
schrieben sie mit Kreide groß die neue Jahreszahl.
            

Bekannt für dieses Neujahrslied in Freienohl war besonders der beliebte Karl Lörwald
genannt "Kalla Bolla" der bis in die 80ziger Jahre diese Tradition aufrecht hielt.

Seit über 40 Jahren pflegt ein Stammtisch der Kolpingsfamilie Freienohl den besonderen Brauch zum Jahreswechsel. In der Neujahrsnacht gehen die Unentwegten - ob´s stürmt, regnet oder schneit, ob es bitterkalt ist - zu zahlreichen Häusern, um dort ein Ständchen zu bringen, das zum Abschluss "Die Jungfrau schaut zum Fenster heraus und wirft uns eine Mettwurst hinaus. Heißa Viktoria, ein glückseliges neues Jahr!" wünscht. Guter Brauch ist es denn auch geworden, dass eine Mettwurst als Gabe für die Sängerinnen und Sänger aus dem Fenster geworfen wird. Der Stammtisch lässt sich dann am Rosenmontag die Mettwürste mit Grünkohl nach westfälischer Art gut schmecken.
                        
Neujahrslied

1. Als ich vom tiefen Schlaf erwacht
und an das Neue Jahr gedacht,
Heißa Viktoria, ein glückseliges Neues Jahr.
Die Jungfrau schaut zum Fenster heraus
und schmeißt uns ein Mettwurst hinaus,
Heißa Viktoria, ein glückseliges Neues Jahr.

2. Guten Morgen, guten Morgen in diesem Haus!
Wir wünschen euch, euch wünschen wir
ein glückseliges Neues Jahr,
ein glückseliges Neues Jahr!
    
3. Herr und Fraue, Herrn und Fraue in diesem Haus!
wir wünschen euch, euch wünschen wir
ein glückseliges Neues Jahr,
ein glückseliges Neues Jahr!

4. Söhn und Töchter, Söhn und Töchter in diesem Haus!
wir wünschen euch, euch wünschen wir
ein glückseliges Neues Jahr,
ein glückseliges Neues Jahr!

5. Mägd' und Knechte, Mägd' und Knechte in diesem Haus!
wir wünschen euch, euch wünschen wir
ein glückseliges Neues Jahr,
ein glückseNeujahrssingenliges Neues Jahr!
 
Der Hausherr öffnete ein Fenster und reichte eine Mettwurst oder ein Geldstück heraus. Auf einer großen Holzgoffel wurden die Würste gesammelt. Man wünschte sich gegenseitig: "Prosit Neujahr, Prosit Neujahr!"

Als Dank trugen dann die Sänger dann die Strophe sechs des Neujahrsliedes vor:


6. Und dem Herren ins gemein
wünschen wir ein gut's Glas Wein
und seiner Frau im selbigen Ton
wohl übers Jahr ein' kleiner Sohn.
Heißa Viktoria, ein glückseliges Neues Jahr,
ein glückseliges Neues Jahr.

 

Erhielten die Sänger kein "Neujährken" wünschten sie dem Hausherrn Ratten und Mäuse in dem Haus und sangen die Strophe 7:

7. Ratten und Mäuse, Ratten und Mäuse in dieses Haus!
wir wünschen euch, euch wünschen wir
Ratten und Mäuse in dieses Haus,
Ratten und Mäuse in dieses Haus!

 NeujahrssingenNeujahrssingen

Literatur:
Olper Chronik, Band 2 - Brauchtum und Spiele
Stammtisch der Kolpingsfamilie Freienohl

Fotos: Raimund Gerke, Freienohl