Mit Brauchtum und Bräuchen leben in unserer Freiheit im 18. und bis weit ins 19. Jahrhundert in Freienohl

Zusammengetragen von Ferdinand Friedrich Franz Zacharias,
bereit gestellt am 22. Juni 1934, an seinem 50. Geburtstag. (Sein Geburtsdatum: 22.6.1884 in Arnsberg steht auf S. 37 seines Textes: „Geschichte der Familie Zacharias, Freienohl, Bockum, 17. -  20. Jahrhundert“ mit zahlreichen Einzelthemen zu Freienohl; von F.F.F. Zacharias, nur noch Taufe + Paten, berufliche Ausbildung; kein Heiratsdatum usw.)
 
Es gibt stilistisch modernere und historisch ausführlichere Texte. Aber hier ist wichtiger der Heimat gebundene Stil. Gründlichere Texte mit Bildern können im Archiv des SHB, der Zeitschriften des Sauerländer Heimatbundes, Arnsberg, Online gelesen und ausgedruckt werden.
 
Wirtschaftsführung und Lebenshaltung
 
Auf dem Grundbesitz hafteten verschiedene Lasten und Einschränkungen, Hand- und Spann-Dienste (Die unbekannten Vokabeln können im Extra-Kapitel abgefragt werden.), Natural-Leistungen an die Kirche und an den Landesherrn, später den Fiskus, sowie die sogenannten Zehnt-Gerechtigkeit, das Recht auf den zehnten Teil des Roh-Ertrages einer Wirtschaft. Diese sind im Laufe des 19. Jahrhunderts abgelöst worden, - im Ablösungs-Gesetz vom 2. März 1850.
 
Kriege, Feuersbrünste, ansteckende Krankheiten sowie die allgemeine Verschuldung zwangen unsere Altvorderen zu sparsamster Wirtschaftsführung. Ihre Lebenshaltung war schlicht und einfach. Des Morgens gab es gewöhnlich eine Hafermehl- oder Grützen-Suppe mit Roggenbrot. Und am Abend dazu Kartoffeln. Gewöhnlich zweimal in der Woche kam Schweinefleisch auf den Tisch. Frisch geschlachtetes Fleisch war im ganzen Jahr etwas Außergewöhnliches. Die gewonnene Butter wurde verkauft. Nur ein geringes Quantum verblieb dem Hause. Stattdessen diente als Brotaufstrich selbst hergestelltes Runkeln- oder Rübenkraut, oder auch Quarkkäse. Der Bohnenkaffee war zu teuer. Dafür zog man im Garten Cichorien-Wurzeln. Diese wurden geröstet, gemahlen und daraus „Zikurgenkaffee“ hergestellt. Zu Weihnachten gab es gewöhnlich einen braunen Stuten statt Kuchen. Tipp: Web: Krünitz Online.
 
Das tägliche Brot musste in saurer, harter Arbeit Tag für Tag dem kärglichen Boden abgerungen werden. Rodungsarbeiten (Puilhacken) von Heide und Waldboden wurden in jedem Jahr ausgeführt. Im Frühjahr, im Sommer und im Herbst hatte man mit Feldarbeiten vollauf zu tun. Im Spätherbst und im Winter wurde jeden Morgen in aller Frühe gedroschen. Wenn morgens die Dreschflegel im Takt sich drehten, saßen abends die Töchter mit der Mutter am Spinnrad in froher Runde. Eine bestimmte Menge Wolle musste jeden Abend als Pflichtarbeit gesponnen werden. Das gesponnene Garn wurde zum Leineweber (Wolleweber) gebracht und von diesem weiter verarbeitet durch Dämpfen Spulen, Schären, Leimen und Bäumen. Der Kettenschärer ordnete in dem Schärgitter die Schar der Spulen in Gängen von 20 bis 60 neben einander liegenden Fäden auf dem Rahmen an. Um das Garn gut verweben zu können, „schlichtete“ der Leineweber, Wollenweber dasselbe vermittels Leimlösung. Dann wurde die Kette getrocknet und gebäumt, d.h. Sie wurde auf den Webbaum des Stuhles gerollt. Die Garn-Enden der Ketten wurden an die auf dem Stuhl zurück gebliebenen Faden-Enden des letzten Gewebes angeknüpft. Der Handwerker warf darauf den Schützen durch das Fach unter gleichzeitigem Treten der Füße hob und senkte sich das Webgeschirr und damit auch die Kettfäden. Jeder neue Querfaden (Schuss-Faden) wurde durch Anschlagen an die schon gewebte Ware angeknüpft. Die Leineweber und Wolleweber galten damals in ihren Zünften als die ersten und angesehensten unter den Handwerkern.
Die Zeiten des Spinnrades, der Spindel und des alten Handwebestuhles am häuslichen Herd unserer Ahnen mit ihrer Romantik und Poesie sind dahin. Sie sind vertrieben durch neuzeitliche Spinnmaschinen und elektrische Webstühle in großen Spinnereien und Webereien. Was würden unsere Vorfahren aus dem 17. und 18. Jahrhundert, wo noch die Postkutsche über alte, holprige Verkehrswege dahin zog, uns zu sagen haben, die wir im 20. Jahrhundert, im Zeitalter des Verkehrs (Eisenbahnen, Autos, Fahrräder, Flugzeuge) leben und uns all der Güter und Erfindungen der neuesten Zeit erfreuen (elektrisches Licht, Telephon, Radio, Tonfilm etc.)!
 
Alte Sitten und Gebräuche wurden in Ehren gehalten. Von vielen seien hier nur einige genannt. Wenn am Palmsonntag die Palmem geweiht waren, ging der Vater damit aufs Feld, steckte an den Kopfenden des Ackers je ein Kreuz von den geweihten Palmen in die Erde und betete ein andächtiges Vater-unser...unser tägliches Brot gib uns heute, um den Segen für die neue Ernte zu erbitten. An den vier kirchlichen Hochfesten wurde die Mittags-Tafel mit Weih-Wasser besprengt, ebenso das Haus, die Ställe und das Vieh. Bei schweren Gewittern brannten geweihte Kerzen. Geweihte Kräuter aus dem Krautbund erhielt auch das erkrankte Vieh.
 
Bei Familienfesten wie Hochzeiten und Kindtaufen ging es meist hoch her. Viele Gäste erschienen, Speisen und Getränke wurden in großen Mengen verzehrt. Gegen die Auswüchse wandte sich im 18. Jahrhundert der Landesherr, so durften bei Kindtaufen nicht mehr als zwei Personen geladen werden. Auf den Schützenfesten herrschte bürgerlicher Gemeinschaftssinn in fröhlicher Eintracht. Eine gute Nachbarschaft zu jeder Zeit zu gegenseitiger Hilfe bereit, galt als selbstverständliche Bürgerpflicht.
Der älteste Sohn war stets der Hoferbe (Anerbe). Die anderen Geschwister bekamen auf dem Hof ihren Unterhalt, solange sie noch minderjährig waren. Heirateten die Töchter, so hatten sie Anspruch auf den sogenannten Brautschatz. Dieser bestand aus einem ordentlichen Brautwagen mit einem „Kuffer“ oder Kasten, einer Bettstätte, einem Ober- und Unter-Bett mit guten Federn, einem Spinnrad, einer Haspel, einer Schwinge, einer Brake, einem Flegel, einem Sack mit einer „Mütte“ Roggen, einer Stande (Sauerkraut-Fass), einem Pott, einem Schinken, einem Besen mit einem lebenden Hahn, einem schwarzen Kleid, einem Vortuch mit Wolle gefüllt, und einem oder mehreren Stücken (Rollen) Leinwand (Bleichstücke von selbstgezogenem Flachs vom Leineweber gesponnen), dazu eine Milch gebende Kuh. Die vom Hofe gehenden Söhne bekamen an Ausstattungsgeld etwa 5 – 19 Reichstaler. Die Alt-Eltern erhielten nach Rücktritt von der Bewirtschaftung des Hofes ihren Altenteil: eine Stube mit dem nötigen Inventar, Essen und Trinken, sowie etwas Taschengeld, soweit die Hof-Erträge dieses gestatteten.
Neben dem Anbau von Roggen, Weizen, Gerste und Hafer wurde von unseren Ahnen auch Raps und Flachs gezogen. Hierüber schreibt Dr. Liedhegener in seinem Buch „Das Kirchspiel Hellefeld)“: Das Ölgewächs, der Raps, war im erheblichen Umfang zu finden, auch noch bis Ende des 19. Jahrhunderts. Seine Verarbeitung besorgten die Öl-Mühlen (Linnepe). Der Flachs wurde im Juni gesät, im Herbst mit der Wurzel ausgerupft, in kleine Bündel gebunden und in Stiegen zum Austrocknen aufgestellt. Die getrockneten Stengel wurden beim Raufen durch eiserne Kämme zum Entfernen der Blätter und des Samens gezogen und dann auf einer Wiese oder Weide reihenweise solange ausgespreitet, bis sie eine etwas weißliche Farbe zeigten. Dann wurde der Flachs auf einer Eisenplatte solange geröstet, bis er warm und brüchig war. Sehr oft erfolgte die Röstung auch in einem Backofen. Die warme und brüchige Masse wurde nunmehr in einer Brachmaschine so lange hin und her gedreht, bis sich die Bastschicht gelöst hatte. Die völlige Beseitigung des Bastes erfolgte durch Brechen auf der sogenannten Handbreche. Mittels einer Handhechel wurde der Flachs dann von dem Abfall, der Hede, die für die Sack-Fabrikanten Verwendung fand, entfernt und nach nochmaliger Verarbeitung mit der Schwinge gesponnen. Der Werdegang von der Leinpflanze bis zum Webstuhl ist kurz zusammen gefasst  trocknen, griffeln, brechen, hecheln, schwingen, spinnen, haspeln. Aus dem gesponnenen Garn fertigte der Leineweber auf seinem Webstuhl Bleichst+ücke an, die meistens ein Maß von 20 Ellen (1 Elle = 2/3 m, oder genau 0,667 m) hatten und nach mehrmaligem Bleichen zur Herstellung von Hemden, Bett-Tüchern und sonstigem Bettzeug dienten. Es war der Stolz jeder Bauernfrau, wenn sie in ihrem Schrank oder in ihrer Truhe recht viele Bleichstücke bergen und ihren Töchtern als Mitgift mitgeben konnte.“
 
Wieder zu F.F.F. Zacharias:
Ins Damals: Haus und Hof
Die alten Wohnhäuser im Kurkölnischen Sauerland zeigen durchweg die niedersächsische Bauweise im geschlossenen Dorf an krummen, unregelmäßigen Straßen. Baufluchtlinien kannte man erst in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bis zu dieser Zeit war auch noch das Strohdach vorherrschend. Die Höfe lagen mit ihren Nebengebäuden von der Straße zurück und waren durch eine Hecke oder einen Zaun umfriedigt. Auf dem Hofe befand sich der Ziehbrunnen oder eine Pumpe stand im Haus. Den Hof zierte eine alte Linde, Kastanie oder Esche. In der Regel war die Stirnseite mit der großen Einfahrtstür des Hauses der Straße zugekehrt. Die Wohnräume und Kammern waren niedrig und hatten kleine Ruiten (Fenster mit kleinen Scheiben). Der Fußboden bestand aus breiten Dielen, die nach dem Schrubben mit weißem Sand bestreut wurden. Decken und Wände waren gekälkt, nur die beste Stube hatte Tapete. Durch das ganze Haus führte die Längsdiele, die „Diäl“. Auf diese Weise wurde ein Kornfuder durch „dei grauten Dör“ eingefahren. Man konnte dann die Pferde nach dem Ausspannen durch die hintere Tür, „lütke Dör“ ins Freie führen. In der „grauten Dör“ war die „näieren Dör“ mit dem „Süll“. Links der Tür befanden sich die Viehställe und rechts Küchen- und Wohnraum oder auch umgekehrt. Über der Diele ruhten auf den „Diälstäinern“ die Balken, mächtige, Rauch  geschwärzte Eichenstämme, an denen die Rauchwaren hingen. Über den Ställen und Kammern lag der „Bühnn“, auch „Hille“ genannt. - Dieser unbekannte Buchauszug schildert die meisten Freienohler Häuser wohlhabend, vornehm.
 
Der Hausrat war einfach und schlicht und bestand gewöhnlich aus einem Tisch, auch ein „Klappdisk“, der an die Wand hochgeklappt wurde, einer langen Tischbank, ein paar Brettstühlen, einem Lehnstuhl, einem Glaserschrank, einem Mekschapp, einer Anrichte, einer Wanduhr, einer Bettstelle, einer Kommode, einem Koffer und einem Kleiderschrank. Matratzen waren eine Seltenheit. Man schlief auf einem Strohsack und dicken Unterbetten. In der Küche hing über dem Feuer ein verstellbarer Kessel-Haken. Auf den Öllampen brannte man noch zwischen 1850 und 1870 Rüböl oder gereinigtes Öl aus den nahe gelegenen Ölmühlen. Viel später kam dann das „Stainollig“, Petroleum auf.
 
Der Tagelohn war noch in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr gering; 50 Pfennig für den Mann und 25 Pfennig für die Frau bei voller Kost.
 
Neben den Familiennamen führen die alten Höfe den Hofnamen, welche bis ins 15. Jahrhundert zurück reichen. Letzterer ist bei den Dorfbewohnern der geläufigste.
 
Vom Spinnen: Über den Flachs-Anbau und dessen Verarbeitung habe ich (F.F.F. Zacharias) bereits vorne geschrieben. Am Martinstag begann gewöhnlich das Spinnen. Zur Winterszeit hörte man in jedem Hause das Schnurren des Spinnrades und von manchem Hofe den harten Anschlag des Handwebstuhles. Noch lag auf Spinnen und Weben ein Teil des leuchtenden Schimmers, der seit alters her die Flachs-Verarbeitung bei unseren Altvorderen umwoben hatte. Die Spinnräder waren vom Dorfschreiner angefertigt, zierlich und doch kräftig. Man kannte zwei Arten: Ziegen, das ist Rad und Spindel nebeneinander, und Böcke, das ist Spindel über dem Rad. Zum Spinnrad gehört die Haspel. Durch lautes Knacken des Zählrades wurde angezeigt, wann ein Bind voll war. 20 Bind gehörten zu einem Stück Garn. Ein Spul-Rad wickelte das fertige Garn auf Webspulen. Der zu spinnende Flachs war auf dem Wockenstock gewickelt. Die Stärke des Grans richtete sich nach der Feinheit des zu webenden Leinens. Das zur Kette dienende Scheergarn wurde fest und gleichmäßig gesponnen; das Einschlaggarn blieb loser. Während die Räder summten, erzählte man sich Gruselgeschichten vom ungetreuen Liebsten, sang Spinnlieder und gab Rätsel auf. Auf der Herdplatte brutzelten mit süßem Duft einige Schmor-Äpfel.
 
Alte Sitten und Gebräuche
Im Zeitalter des 20. Jahrhunderts mag man von den Lebens-Auffassungen unserer Ahnen mit ihren Sitten und Gebräuchen, Sprüchen und Liedern, Sagen und Legenden aus Urgroßvaters Zeiten nichts mehr wissen. Lernen wir nicht aus dieser alten Kultur den Charakter und das Familienleben unserer Vorfahren kennen, ihr Arbeiten und Feiern, ihr Lachen und Weinen, ihr Lieben und Hassen, ihr Hoffen und Verzagen. - Den vorne kurz geschilderten Sitten und Gebräuchen mögen hier weitere folgen.
Hochzeit
Des öfteren kam eine Ehe auch durch den „Makelsmann“, „Freiwerber“ zustande. Hatte dieser die jungen Leute „te häupe kuiert“, verständigt derselbe die Verwandten hiervon. Die Dorfbewohner erfuhren schon bald durch Herumsprechen diese Neuigkeit. Die Eltern und der „Makelsmann“ besichtigten „dai nigge Stäie“. Es wurde alsbald die Heirat besprochen, ferner die Mitgift und die zu übernehmenden Verpflichtungen. Nach beiderseitigem Einverständnis fand dann die Verlobung statt, die auch gefeiert wurde. Der „Makelsmann“ erhielt ein „Makelshemd“. Die Braut und deren Eltern waren auf eine gute Aussteuer bedacht. Darum ließen sie schon zeitig bei dem Handwerker im Dorfe die Möbeln (!) aus eigenen, schon länger gelagerten Eichen-, Eschen oder Kirschbaum-Brettern anfertigen. Wochenlang arbeitete die Weißnäherin gemeinsam mit der Braut an der „Linneniutstuier“ aus selbst gezogenem und gesponnenem Flachs. Die Betten wurden mit Gänse-Federn gestopft, die seit Jahren gesammelt waren. Je voller das „Inlett“, umso besser das Bett. Schön gemusterte Bezüge gehörten dazu. Es gab keinen langen Brautstand. Die Hochzeit folgte in einigen Monaten. Um das kirchliche Aufgebot zu bestellen, gingen die Brautleute zum Pfarrer. Hier mussten sie eine Prüfung ablegen, das sogenannte „Bruitexamen“. Man holte den alten Schulkatechismus wieder hervor oder lieh sich einen von den jüngeren Geschwistern oder aus der Nachbarschaft. Selbstverständlich bestanden die Brautleute das Examen glänzend. An dem Sonntage des ersten Aufgebots in der Kirche gingen die Brautleute in die Frühmesse oder gar in die Kirche des Nachbar-Kirchspiels. In der Dorfkirche indes „fiel das Brautpaar von der Kanzel“. Die Einladung zur Hochzeit besorgte gewöhnlich der Hochzeitsbitter. Dies war ein junger Verwandter oder wohl der Nachbar. Mit einem langen Stabe geschmückt mit bunten Bändern und Blumen am Hute ging er zu den einzuladenden Familien. Hier erhielt er jedes mal einen Schnaps. Bei den vielen Einladungen musste er „ein starkes Gemüt“ haben, um auf den Beinen zu bleiben. Einige Tage vor der Hochzeit wurde die Aussteuer auf dem Brautwagen mit Juchhei, Peitschen-Knall und Hahnen-Schrei des aufgenommenen lebenden Hahnes zur „niggen Stäie“ gefahren. Der Bräutigam nahm den Brautwagen mit dem Führer und der Führerin in Empfang und fragte diese nach ihrem Begehr. Sie verlangten von ihm Erfüllung eines schwer zu ratenden Wunsches, ehe die Aussteuer ins Haus getragen wurde. So wünschten sie beispielsweise eine runde Ewigkeit, das ist eine runde Mettwurst.
Den Abend vor der Hochzeit nannte man den Polterabend, auch wohl Giften-Abend.  Es erschienen die geladenen Gäste und die Nachbarn. Sie brachten Hühner, Würste, Schinken, Speck, Eier, Butter und anderes mehr. Die Jugend brachte alle nurn errichbaren Scherben, alte Töpfe, um damit vor dem „Süll“ des Hauses zu poltern und um dadurch Glück für die Brautleute zu bringen. Wenn einer von den Brautleuten mit einer anderen jungen Person ein Verhältnis gehabt hatte, streute man am Polterabend mit Sägemehl, Häcksel oder Kaff zu der anderen Wohnung.
Der Hochzeitstag am anderen Morgen gestaltete sich recht festlich. Man ging zu Fuß zur Kirche. „Bruitvatter“ und „Bruitmutter“ waren die Führer und Trauzeugen. Die Trauung fand stets des Morgens früh bei der Hl. Messe statt. Nach Rückkehr des Brautzuges aus der Kirche wurde unterwegs der Brautzug abgefangen. Man spannte ein Seil über die Straße und gab nur nach gutem Trinkgeld die Straße wieder frei. Recht sinnvoll gestaltete sich der Empfang der Brautleute im neuen Heim. Am „Süll“ des Hauses empfing die Schwiegermutter die Brautleute mit Brot und Wein, führte sie darauf dreimal um den Kesselhaken (Längehoul) der Herdstelle in der Küche. Dann mussten sich die Brautleute in der besten Stube auf einem Stuhl niederlassen. Das Hochzeitsmahl wurde auf der „Diäl“ eingenommen. Am Abend wurde getanzt. Nachts 12 Uhr übergab man der jungen Hausfrau als Zeichen der neuen Würde die Übermütze, Nachtmütze. Am Spätabend stellten die jüngeren Hochzeitsgäste dort noch eine Strohpuppe in die Hecke oder in den Zaun, wo die nächste Hochzeit in Aussicht war.
Kindtaufe
Wurde ein Kind geboren, dann kamen die Nachbarn und hielten bei der Mutter „Ansprache“. Nach drei Tagen fand die Taufe statt. Man sagt, das Kind wird „gechristet“. Es mussten recht viele Taufpaten sein, der Geschenke wegen. Nach der Taufe begaben sich die Taufpaten ins Wirtshaus. „Dat Kind mat wat te drinken hewen.“  Hier wurden Kaffee, Kuchen, Bier, Schnaps und Butterbrote aufgetischt. Den Sonntag darauf besuchten die Nachbarsfrauen die junge Mutter und brachten zum „Kramrühren“ Kaffeebohnen, Butter, Eier, Zucker und einen Stuten mit. Als Zeichen der Sättigung stülpte man nach dem Kaffeetrinken das „Köppken“, die Obertasse in das „Näppken“, die Untertasse um. Zum Schluss dieses „Kindertauf-Zechs“ kamen am Abend noch die Männer zum Glas Bier und zum Butterbrot.
Begräbnisfeier 
War einer aus der Familie gestorben, dann kamen die Nachbarn und kleideten den Toten. Den Tieren im Stall sagten sie den Todesfall an. Die Bäume und die Bienenstände wurden angestoßen, die Uhr angehalten. Abwechselnd hielten sie die Totenwacht und beteten am Abend gemeinsam mit der Familie. Am Begräbnistag gab es kostspielige Bewirtung. Die Beerdigung fand im Anschluss an das Seelen-Amt statt.
Neujahrsfeier
Am Silvester-Abend saß man in froher Runde der Familie beim „Iserkauken“. In den Dorfwirtschaften hatten die Stammgäste freie Bewirtung. Draußen wurde nachts um 12 Uhr das neue Jahr angesungen mit dem Liede: „Guten Morgen all in diesem Haus, wir wünschen euch, euch wünschen wir ein glückseliges neues Jahr; Herr und Frau in diesem Haus usw..., Söhn' und Töchter usw...in diesem Haus... Knecht' und Mägd' in diesem Haus!“ - Am Neujahrsmorgen suchten einer dem andern den Neujahrsglückwunsch „abzugewinnen“. - Postboten und Zeitungsboten erhielten ein kleines Trinkgeld, „Nijöhrken“.
Fastnacht
Da ging es sehr lustig her. Die jungen Burschen zogen mit der „Schüddegaffel“ durchs Dorf und sammelten Würste, die abends in der Wirtschaft verzehrt wurden. Dazu wurden auch die Mädchen des Dorfes eingeladen. Nachher wurde bis in die Nacht hinein getanzt.  Fastnacht-Montag und Dienstag fand das „Zehen-Beißen“ statt.
Ostern
brannten auf den Bergeshöhen die Osterfeuer, die wochenlang vorher in mühseliger Arbeit von der Dorfjugend fertig gestellt waren.
 
Hier endet geradezu plötzlich die Textfassung von F.F.F. Zacharias.
Diese Textfassung befindet sich in der umfassenden, äußerst gründlichen Familien-Geschichte Zacharias und ihren Stammtafeln; abgeschlossen 1934.
 
Abschrift: Heinrich Pasternak
 
Es folgt ein Vokabel-Verzeichnis für Buiterlinge und Eingesessene, die im 20. und 21. Jahrhundert leben.
 
Unbekannte Vokabeln im FFF Zacharias-Text
 
Bitte übersetzen, erklären, weitersagen! Auch die  unbekannten Vokabeln notieren, die hier nicht aufgelistet sind!
Die unbekannten Vokabeln sind kursiv geschrieben; senkrecht: kurze Erklärung.
 
Hand- und Spann-Dienste   /   Fiskus    -   Kriege;   Feuersbrünste;   ansteckende
 
Krankheiten   -   Runkelnkraut   -   Rübenkraut   -   Puilhacken   -   Weben  (Web-Link wird angegeben)
 
Mütte Roggen   -   Pott   -   Besen mit einem lebenden Hahn   -   Vortuch   -   Wo war hier die nächste Öl-Mühle?
 
Brachmaschine   -   Hof zierte Linde / Kastanie / Esche ?   -   Nach dem Schrubben mit weißem Sand ?
 
näieren Dör   -   Süll   -   Diälstäinen   -   Bühnn   -   Hille   -   Mekschapp   -   Spinnen : Web-Link
 
Makelsmann   -   Freiwerber: Werber zum Freien: Heiraten    -   te häupe kuiert   -   dai nigge Stäie
 
Makelshemd   -   fiel das Brautpaar von der Kanzel (wurde vom Pastor öffentlich bekannt gegeben)
 
warum Hahnen-Schrei?   -   Giften-Abend (Geschenk-Abend?)   -   Kaff (hier: Spreu; Krünitz  Online)
 
Längehoul   -    Ansprache   -   dat Kind mat    -   Kramrühren   -   Iserkauken   -
 
abzugewinnen   -   Schüddegaffel   -   Zehen-Beißen.
 
Aufgelistet vom Buiterling Heinrich Pasternak                                                                       6 Seiten