Warum Sternsinger nach Köln fahren.

Warum die Freienohler Sternsinger? 
 
Weite Wege nach Köln: Die Hl. Drei Könige
Zwischendurch mal in Arnsberg.
Graf Gottfried IV.: in Arnsberg, im Kölner Dom, für Freienohl
 
STICHWORTE
 
1158: Belagerung / Plünderung / Zerstörung von Mailand
          durch Kaiser Friedrich Barbarossa
 
1164: Überführung (Raub!) der Drei-Königs-Reliquien von Mailand nach Köln durch Rainald von Dassel: Erzkanzler (Reichskanzler, = Stellvertreter) von Kaiser Friedrich Barbarossa und Erzbischof von Köln: 23. Juli 1164.
Durch eins von 3 möglichen Stadttoren.
 
Die Reisestrecke von Italien /Mailand nach Köln : geheim gehalten.
Zum Schutz vor Papst Alexander III.: der Erzbischof von Reims – an der üblichen Reisestrecke – hatte den Befehl erhalten, die Übertragung der Gebeine notfalls mit Gewalt zu behindern.
Die Drei-Königs-Reliquien waren ein wirtschaftlich unermesslicher Schatz: Köln wurde so zu der bedeutsamsten Wallfahrtsstadt diesseits der Alpen. Wallfahrer bringen Geld, Reichtum, Ansehen, politische Wichtigkeit! (Trier, die alte Römerstadt ((Nord-Rom!)), die Stadt des Apostels Matthias, die Stadt im Besitz des Hl. Rocks; und Santiago de Compostela in Nordspanien; Venedig mit dem Grab des Evangelisten Markus; Rom mit den Aposteln Petrus und Paulus).
 
Etwas Vorgeschichte:
795: Kaiser Karl der Große ernennt Köln zum Erzbistum, zum mächtigsten Erzbistum nördlich von Mainz; bestimmt vom Kaiser, nicht vom Papst!
1010: der zukünftige Erzbischof von Köln: Anno II. wird geboren.
1050: der zukünftige Kaiser Heinrich IV. wird geboren, wahrscheinlich in Goslar.
1054: mit 4 Jahren (!) wird Heinrich IV. von seinem Vater Kaiser Heinrich III. zum König gekrönt.  
1056: Kaiser Heinrich III. – nicht der Papst – setzt Anno II. gegen den Willen der Kölner Bürger als ihren neuen Erzbischof ein (die wollten einen anderen Erzbischof haben).  Anno ist 46 Jahre jung.  Kaiser Heinrich III. stirbt. Seine Witwe Agnes von Poitou übernimmt die Regierung. Politisch erweist sich Agnes als zu schwach; auch als zu schwach für die Erziehung des jungen  Königs Heinrich (6 Jahre!).
1062: Staatsstreich von Erzbischof Anno II.: er entführt (Kidnapping) den 12 jährigen Jung-König Heinrich von der Kaiserpfalz in Kaiserswerth / Düsseldorf aus den Händen seiner Mutter. Die geht in ein Kloster in Norditalien, glücklich und zufrieden. -  Erzbischof Anno II. beherrscht das Reich.
Kaiser Heinrich IV. hatte die Behauptung von den zwei gleichwertigen Schwertern aufgestellt: Gott habe das eine Schwert der höchsten weltlichen Macht – dem Kaiser – verliehen, das andere – gleichwertige Schwert – der höchsten kirchlichen Macht – dem Papst – verliehen. Der Zank zwischen beiden bestand dann trotzdem darin: jeder wollte über den anderen zu sagen haben, ihn in seinem Posten einsetzen.
 
Weiter zu Kaiser Friedrich Barbarossa:
1157: Kaiser Friedrich Barbarossa führt den Namen „Heiliges Reich“ (Sacrum Imperium) ein. Damit zeigt er, dass er seinen Kaiser-Titel direkt von Gott erhalten hat.  Dagegen wettert der gleichzeitige Papst Alexander III.: “Von wem nimmt der Kaiser das Kaisertum, wenn nicht vom Papst!“
 
Der Jahre lange Streit zwischen Papst und Kaiser, Kaiser und Papst macht deutlich: Wer die Reliquien der Hl. Drei Könige besitzt, hat viel, viel Macht! Und Köln war damals politisches Machtzentrum!
 
 
 Zu den Heiligen Drei Königen:
Seit dem 5. Jahrhundert: „Könige“ (vorher „Weise“ und Sterndeuter; das griech. Wort „magoi“ im Matthäus-Evangelium nicht mir „Magier“ = Zauberer übersetzen), AT Psalm 72,10: „Die Könige von Tharsis und den Inseln bringen  Geschenke herbei…“ – Der Kölner Erzbischof und Reichskanzler Rainals von Dassel war ein scharfer Verfechter der kaiserlichen Reichspolitik; durch den Besitz der „Königsreliquien“ setzte er auf den höheren Rang  der Kaiser-Herrschaft gegenüber dem römischen Rang der Papst-Herrschaft. Rainald argumentierte so: Christus hatte VOR der Berufung des Petrus, auf der das Papsttum gründet, die Geschenke und die Verehrung und Anbetung von Königen angenommen. Weil ihre Reliquien in Köln aufbewahrt werden, so gilt das wie ein Beweis, wie ein Siegel der Vorherrschaft des Kaisertums VOR dem Papsttum, denn es war der Kölner Erzbischof, der die deutschen Könige krönte – in Aachen.
Die Weisen aus dem Matthäus-Evangelium wurden kirchenamtlich nicht heilig gesprochen; das erklärt sich wohl aus ihrer Verehrung auch mit politischen Zielen; und die waren gegen Rom gerichtet.
Die deutschen Kaiser und Könige huldigten, verehrten nach ihrer Krönung in Aachen noch Jahrhunderte lang ihren „heiligen“ Vorgängern im Kölner Dom. Kaiser Otto IV. von Braunschweig-Poitou (1198-1212) ließ sich sogar als vierter König an der Stirnseite des Dreikönigsschreins darstellen. Diesen Schrein hat der Goldschmied Nikolaus von Verdun um 1181bis um 1230 geschaffen.
Köln wuchs heran zur größten Stadt des Mittelalters und legte großen Wert auf seinen Titel: „Sancta Colonia“. Eine gewaltige Mauer (zwischen 1167-1197) schützte die „heilige“ Stadt.
 
Wie unser Sauerland mit Köln zusammen kam:
Das Herzogtum Westfalen mit dem Sauerland gehörte vor 1180 dem mächtigen Heinrich den Löwen; der war ein Vetter von Kaiser Friedrich (I.) Barbarossa. Heinrich der Löwe entzweite sich mit dem Kaiser und wurde von ihm geächtet. Da wurde 1180 das Herzogtum Westfalen dem Erzbischof von Köln zugewiesen – bis 1803.
Den Grundstein zum jetzigen Kölner Dom hatte der Erzbischof Konrad von Hochstaden gelegt: 1248. Dieser Konrad von Hochstaden hatte 1244 Schmallenberg befestigen lassen – aus Sicherheitsgründen vor den Westfalen, genauer vor den Grafen von Arnsberg, die den Gebietsanspruch Kölns hin und wieder kriegerisch bekämpften. (Ausführlicheres steht im Buch „Der Hochsauerlandkreis“, von Dr. H. Gampe, Freienohl,3. Auflage)
Der letzte der Arnsberger Grafen, Gottfried IV. verkaufte – wegen seiner kinderlosen Ehe - 1368 die Grafschaft Arnsberg an Kurköln. Mit der Vorsilbe „Kur“ war nicht ein Wellness-Zentrum im heutigen Sinn gemeint, sondern der ursprüngliche Sinn Kur = Kür = Wahl = küren = wählen. Der Kölner Erzbischof gehörte zu den 7 Kurfürsten, die das Recht hatten, den Kaiser zu wählen. – Also: seit 1368 gibt es das kurkölnische Sauerland.
Und was hat Graf Gottfried IV. mit Freienohl zu tun?
Graf Gottfried IV. erklärte zwischen 1364 / 66 unser Freienohl zur Freiheit (Ausführlicher im Buch von Dr. Manfred Wolf „Freiheit Freienohl“, 1985)
Als einziger „Nicht-Bischof“ ruht Graf Gottfried IV. seit 1369 hoch aufgebahrt im rechten Seitenschiff im Kölner Dom.
 
Weiter über die Drei Heiligen Könige:
Nach der Echtheit der Reliquien im Dreikönigsschrein hat im Mittelalter keiner gefragt.
Legenden von 1520 erklären dies: die Kaiserin Helena, die Mutter von Kaiser Konstantin, hat (vor 330) die Gebeine der Weisen im Heiligen Land gefunden und nach Konstantinopel / Byzanz bringen lassen. Als Geschenk des byzantinischen Kaisers sind sie an Bischof Eustorgius nach Mailand gekommen. Wieso Palästina als Fundort gilt, kann nicht begründet werden. Denn nach dem Matthäus-Evangelium zogen die Weisen „auf einem anderen Weg“ in ihr Land zurück. In der Lebensbeschreibung der Kaiserin Helena von Eusebius, seit 313 Bischof von Cäsarea, steht nichts von der Entdeckung. Und von der Überführung von Byzanz nach Mailand wird erst im 12. Jahrhundert zum ersten Mal berichtet und zwar in Köln.
Historisch Genaues ist unbekannt.
Die Dreizahl der Weisen steht auch nicht im Matthäus-Evangelium. Auf diese Anzahl kam man im 2./3. Jahrhundert beim Lesen im Alten Testament: Jesaia 60 und Psalm 72 (im AT steht nichts von Myrrhe).
In armenischen, syrischen und persischen (Irak) Kindheit-Jesu-„Geschichten“ des 6. / 7. Jahrhunderts sind auch ihre Namen bekannt, sogar 12 (wie die 12 Apostel!). Um 720 schreibt der englische Benediktiner und Kirchenlehrer (kirchenamtlicher Ehrentitel) Beda Venerabilis (der Bewunderswerte): Melchior aus Persien, ein Greis mit grauem Haar; Caspar aus Arabien, ein bartloser junger Mann mit rötlicher Hautfarbe; Balthasar aus Indien, mit vollem Bart. – Vor dem Raub in Mailand – 1160 – gibt es einen Augenzeugenbericht von der „Untersuchung“ der Gebeine; darin wird das Skelett eines 60-jährigen, eines etwa 30-jährigen und eines jungen Mannes beschrieben. – In der Malerei ist der junge Mann der „Mohrenkönig“. – Melchior soll das Gold geschenkt haben, Balthasar den Weihrauch, Caspar die Myrrhe.
In der Überlieferung der verschiedenen Legenden ist auch die Zuordnung der Namen, Herkunft, Altersangaben, Geschenke unterschiedlich.
 
Bis in die Gegenwart gibt es wunderschöne Drei-Königs-Geschichten: Felix Timmermann, Michel Tournier…
Auch ein vierter König hat sich auf den Weg gemacht; der kam freilich erst bei der Kreuzigung bei Jesus an.
 
Die geheime Flucht der Heiligen Drei Könige ins Sauerland
1789: die französische Revolution. Ludwig XVI. wird vom französischen Nationalkonvent gezwungen, den Ländern den Krieg zu erklären, die sich zur Bekämpfung der Revolution vereinigt hatten.
1794: die Franzosen scheinen zu siegen. Die deutschen Reichstruppen bringen sich in Sicherheit – bis über den Rhein. Das Kölner Domkapitel beschließt am 18. Juli 1794, mit dem gesamten Dom-Schatz und Dom-Archiv nach Arnsberg zu fliehen.
Auf dem Domplatz stand eine lange Reihe von Pferdefuhrwerken bereit, beladen mit 400 Kisten, Körben, Verschlägen, Fässern und Bündeln. Alles genau katalogisiert vom Domvikar Nettekoven.
Unter den Fuhrleuten war der Fuhrmann Clute-Simon aus Allendorf im Sauerland mit den wichtigsten Schätzen: der Reliquienschrein und die Gebeine der Drei Heiligen Könige. Die Strecken – auch der anderen Fuhrwerke – waren geheim gehalten worden. Ziel war das Kloster Wedinghausen „vor“ Arnsberg.
Über das Hin und Her des abenteuerlichen Unternehmens gibt es das Buch: „Zuflucht zwischen den Zeiten“ Verlag Becker, Arnsberg 1994.
Am 8. Dezember 1804 gelangte dieser Domschatz – wieder mit dem Fuhrherren Clute-Simon aus Allendorf – zurück in den Kölner Dom.
 
 Heinrich Pasternak