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1272 – Freiheit Freienohl – 750 Jahre: Jubiläum – 2022 - Ein Text von Heinrich Pasternak
Was für eine Freiheit feiern wir Vrygenohler? Und schon vor 1272 lebten wir hier in einer Siedlung bei der freien Ruhr-Niederung als Freie im Ohl, als von Arnsberg plus Soest plus Lippstadt rechtlich zugesicherte Freie. Aber so ganz ausführlich für uns Heutige formuliert ist die Freiheit, unser Rechtsschutz, unsere Gerechtsame dann aktenkundig zusammen mit dem Lippischen Recht im Jahr 1364/1366. Freilich, unser Jubiläumsjahr 1272 – 2022, das stimmt. Was konkret damit 1364/66 gemeint ist, hat Dr. Manfred Wolf in seinem Buch „Freiheit Freienohl“ korrekt übertragen (Seite 26) hier zitiert:
„Wir Graf Godfried von Arnsberg bekennen mittels dieser Urkunde für uns und unsere rechten Erben und Nachkommen, dass wir mit Rat unsere Freunde unserer Freiheit zu Freienohll ein solches Recht, Freiheit und Gnadenerweis gegeben haben und geben, wie wir unserer Stadt zu Eversberg verliehen haben, und zwar Lippstädter Recht, und dazu besondere Privilegien und Rechte, wie hiernach folgt: 1. Zum ersten soll jedermann die (persönliche) Freiheit haben. Wer in die Freiheit kommt, der soll diese Freiheit gebrauchen, es sei denn, er sei mit unechtem Gut angetroffen worden oder mit unechten Werken oder dass er für friedlos erklärt worden wäre. 2. Weiter soll jede Hausstätte in der Freiheit in drei Marken, und zwar in der Mark zu Olpe, Wennemen und Dinschede je ein Schwein treiben. Dafür sollen sie nicht mehr entrichten als ein Lohn für den Schweinehirten. 3. Auch dürfen sie Holz hauen in den drei genannten Marken für Bauholz und zu ihrem Bedarf so viel, als es nötig ist. Auch dürfen sie alle Windbrüche, das ist Holz, das der Wind niedergeworfen hat, und alles unfruchtbare Holz hauen und wegfahren, so viel sie als Brennholz für ihren Bedarf benötigen. 4. Weiter haben wir ihnen eine Gemeinweide gegeben, die gelegen ist zwischen den zwei „Deipenbeiken“ (Tiefen-Bächen). Was davon und ihrem Zubehör an Einnahmen anfällt, das soll (dem) Geleucht ihrer Kirche zukommen. 5. Wenn ein Bürger vor dem Gerchte in der Freiheit eine Strafe von vier Schillingen (an den Geschädigten) zu zahlen hat, muss er als Buße (an den Richter) zwei Pfennige entrichten. Wenn ein Bürger sich eines Tages in schlechten Ruf gebracht hat, und vor Gericht unterliegt, hat er sechs Pfennige als Buße zu zahlen. Mehr soll der Richter nicht nehmen. Wenn ein Bürger Gewalt anwendet innerhalb der Freiheit, dann büßt er das mit vier Schillingen Buße. 6. Wenn jemand blutige Verletzungen mit scharfen Waffen zufügt, ohne dass es zu tödlichen Wunden oder zu Totschlag kommt, dann zahlt er als Strafe fünf Mark. 7. Der Bürger, der in unseren Landen wandert oder mit Fahrzeugen fährt, der soll zollfrei sein und niemand soll Forderungen an ihn stellen dürfen oder ihn behindern. Wenn jemand Ansprüche gegen ihn erhebt, der mag das vor Gericht (zu Freienohl) tun. Ihm sollen sie dann Recht widerfahren lassen. 8. Jede Hausstätte in der Freiheit hat jährlich sechs Pfennige und zwei Hühner zu entrichten und den Zehnten zu geben. 9. Wenn eine Hausstätte in der genannten Freiheit verkauft wird, so soll jedes Mal, wenn das geschieht, von der Hausstätte zwölf Pfennige an uns gezahlt werden. 10. Wenn ein Bürger aus der Freiheit flieht aus Schuld oder aus Not, so soll sein Gut für ein Jahr und einen Tag unangetastet bleiben. – Damit diese vorgenommenen Freiheiten stetig, fest und ungebrochen bleiben, haben wir, der vorerwähnte Godert, unser großes Siegel zu ewigem Gedächtnis für uns, unsere Erben und unsere Nachkommen unten an diesen Brief gehangen. – Gegeben im Jahre 1364/66 auf Petri Stuhlfeier“ (22. Februar).
Die Urkunde zeigt deutlich: „Aller guten Dinge sind drei“. Ding meint ursprünglich: Germanisch, Altdeutsch: Thing, Rechtsversammlung. Und 2. in jener Zeit sagt Papst Bonifatius VIII. (1294-1303): „Quod omnes tangit, debet ab omnibus approbari – Was alle berührt, muss auch von allen gebilligt werden.“ Und 3. dreimal Freiheit: Freiheit als der „persönliche“ Name der Vryggenohler, Freienohler. – Freiheit als Orts-Bezeichnung; - im Vergleich zu: Reich, Land, Herzogtum, Stadt, Dorf, Siedlung, Hausstätte...
Was feiern wir Freienohler in unserem Freienohl im Jahr 2022? Welche Freiheit ist für uns so exquisit, dass wir sie feiern wollen? Nur als eine Wiederholung von 1997? Was an Freiheit rund um uns herum? Nur die Urkunde von 1272. Was ist Freiheit in unserer Freiheit Freienohl im Jahr 2022?
Ganz aktuell, ganz gründlich, geradezu weltumfassend informiert der Abiturient (1972), von der anderen Seite von Arnsberg, vom Gymnasium Antonianum in Geseke: Kardinal Erzbischof Reinhard Marx, der ja freiheitssouverän sein Amt als Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz weitergegeben hat, mit seinem gerade (2020) erschienen Buch: „Freiheit“.
Was für uns Freienohler für unser Jubiläum 2022 Freiheit alles bedeuten kann, wird hier zitiert, kursiv mit Seitenangabe; zumeist ausgelassen sind die theologischen Aspekte von Freiheit, lesbar im Buch):
Grenzen sind nicht das Ende der Freiheit (8). – Das Konzept der Freiheit ist ein wichtiger Kristallisationspunkt für die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen, aber auch für das Leben, den Glauben und die Gestalt der Kirche (9). – Freiheit ist der Kern des Menschen ... dass wir einen ernsthaften Dialog über die Freiheit führen müssen, um der Zukunft unseres Gemeinwesens willen, aber auch um der Zukunft des Glaubens und der Kirche willen (13). – Die Gefahr der Hybris... die Welt anschauen, dann sehen wir, wieviel Unfreiheit es gibt ... andere zu beherrschen, auszubeuten, zu benutzen, zu erniedrigen... Lust, über andere zu herrschen (23,25). – In der Dynamik der Freiheit ...Gemeinsamer Aufbruch – Wegstrecke – in Bewegung bleiben (29). – Der Freiheit auf den Grund gehen ... Furcht vor der Freiheit ...Denn Freiheit erfordert eben auch Mut, Bereitschaft zum Wagnis, Willen zur Gestaltung ... ein Jawort zu Bindung, zur Verbindlichkeit, ein neues Recht...(31). ... In der Bindung, im Bund vollendet sich die Freiheit, und zwar letztlich in der Liebe, der tiefsten menschlichen Bindung. Denn Freiheit, die ins Beliebige geht, ohne Ziel, die sich alle Türen offenhält, mag kurzfristige Beziehung bringen, aber sie ist keine nachhaltige Lebensform (34) ...Christsein und Freisein. (6) ... Es gibt keine Freiheit ohne Wahrheit. Es gibt keine Freiheit ohne Solidarität. Es gibt keine Freiheit ohne Opfer (Papst Johannes Paul II., 46). ... Die Anstrengung der Freiheit. Wir können unsere Freiheit nur personal verstehen: immer sind wir in Beziehungen eingebunden, ... die Gesellschaft mit einbezieht (47). ... Politische Versuchung im Gewand klerikaler Machtansprüche... Die kirchliche Versuchung, das himmlische Jerusalem schon im Irdischen realisieren zu wollen. Weder der Staat noch die Kirche sind das Reich Gottes auf Erden 56, 59).... Lernen aus der Geschichte (61).... Erneut stehen wir vor der Herausforderung, „Freiheit von“ und „Freiheit zu“ in Beziehung zu setzen. Freiheit kann nur dann zum guten Leben beitragen, wenn sie verantwortliche Freiheit ist (62)... Werden wir eine Kultur der Freiheit nicht nur bewahren, sondern weiterentwickeln und festigen? (71) ... Freiheit trägt Verantwortung... vor allem auch lebenspraktisch vertieft (78). ... Zur Befreiung durch Liebe... Ich will das für dich Gute und ich tu das. ... Kirche im Dienst der Freiheit ... Nicht die Asche bewahren, sondern die Glut weitergeben! ... Eine zu einseitige Orientierung etwa an Texten, an rein intellektuell gewonnenen Einsichten und an Zustimmungen zu satzhaft formulierten Wahrheiten versperrt den Weg in die Freiheit. ... Orte des Glaubens: Denken, Erfahrung, Handeln und Feier...zu einer Einheit zusammenfügen. ... Praxis des Glaubens und des Lebens in neuer Beziehung.... Frauen in der Kirche... Teamorientiertes Leitungsbild (87-115). ... Bruchstellen der Gegenwart... frei Verantwortung übernehmen für das Leben aller ... für die Zukunft interpretieren und in die konkrete gesellschaftliche, politische und ökonomische Situation hineinzustellen ... Ökologie und Gemeinwohl...(117-145) ...Freiheit – ein bleibender Auftrag zur Überwindung von Hass und Gewalt... Christ sein und frei sein – das passt nicht nur zusammen, sondern ist untrennbar verbunden (147-153). Wo stehen Religionen im 21. Jahrhundert? ...Die Kirche sollte auf der Seite der verantwortlichen Freiheit stehen und das auch in ihren Grundvollzügen Verkündigung, Liturgie und Caritas sichtbar machen... Freiheit braucht Mut. – Im Anhang stehen Anmerkungen und verwendete Literatur.
Wer für unser Jubiläum 2022 noch mehr mitdenken und mitdiskutieren möchte: im Internet die Zeitschrift „Die neue Ordnung“: „Lust und Recht auf Heimat“: Prof. Dr. Dr.Wolfgang Ockenfels (Wikipedia, Kath-pedia): Nr. 2, April 2018. „Um frei zu sein, der Wirklichkeit gehorchen; Wahr-nehmen stellt Anfragen an Vernunft und freien Willen“: Dr. med. Hans Thomas, Köln: Nr. 3, 2018. „Klagen gegen die Herrschaft der Phrasen“: Wolfgang Ockenfels: Nr. 6, 2018.
Heinrich Pasternak, Juni 2020